Das GBB bearbeitete im Jahr 2018 insgesamt 87 Diskriminierungsbeschwerden (Fälle). Insgesamt 120 Personen wurden in der Beratung begleitet und unterstützt. Erfasst wurden Staatsangehörigkeit, Herkunftsland, Alter und Geschlecht der Beratungsnehmer*innen. Die eingegangenen Beschwerden wurden verschiedenen Lebensbereichen zugeordnet, um Erscheinungsformen und Diskriminierungsfelder abbilden zu können. In einigen wenigen Fällen beruhte die registrierte Beschwerde auf einer subjektiv empfundenen Ausgrenzung oder Benachteiligung, die sich im Verlauf der Beratung nicht verifizieren ließ und an die keine über ein Beratungsgespräch hinausgehenden Interventionen geknüpft werden konnten. Auch solche Beschwerden sind in die Statistik mit eingeflossen.
Staatsangehörigkeit:
Beratungsnehmer*innen mit einer außereuropäischen Staatsangehörigkeit machten mit 48% etwa die Hälfte der betroffenen Personen aus. 47% der Beratungsnehmer*innen war in Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit. Diese Personen wurden dennoch, allein aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, welches als nicht Deutsch, bzw. als Außereuropäisch gelesen wird, Ziel diskriminierender Handlungen. Sonstige europäische Staatsangehörige waren mit 5% der Beratungsnehmer*innen vertreten.
Herkunftsland:
Die Frage nach der Herkunft der Beratungsnehmer*innen hat ergeben, dass sich insbesondere Menschen afrikanischer Herkunft (31%) sowie Menschen aus dem Mittleren Osten – hier überwiegend Syrien – (33%) mit Diskriminierungsbeschwerden an das GBB gewendet haben.
Alter:
57 % der Beratungsnehmer*innen waren älter als 25 Jahre, 31 % waren (teilweise indirekt durch die Diskriminierung der Eltern) betroffene Kinder zwischen 0 und 14 Jahre. 12 % der Beratungsnehmer*innen waren zwischen 15 und 25 Jahre alt.
Geschlecht:
49% der betroffenen Personen waren weiblichen, 51% männlichen Geschlechts. Beschwerden von Angehörigen des Dritten Geschlechts konnte das GBB 2018 nicht verzeichnen.
Diskriminierungsfelder:
Die Beschwerden bezogen sich (aufgelistet absteigend entsprechend der Häufigkeit ihres Vorkommens) auf Diskriminierungen aus den Lebensbereichen Arbeit, Ämter und Behörden, Private Dienstleistung und Zugang zu Gütern, Bildung und Ausbildung sowie Mieten und Wohnungsmarkt. Die im Folgenden beschriebenen Einzelfälle aus der Beratungsarbeit 2018 stellen eine Auswahl der bearbeiteten Beschwerden dar. Die Auswahl orientiert sich in erster Linie an der Schwere der infolge der Diskriminierung erlittenen Beeinträchtigung in der Lebensführung der Betroffenen und der damit in Zusammenhang stehenden Komplexität und Intensität der Beratung. Im Bereich des Diskriminierungsfeldes Ämter und Behörden tritt Benachteiligung häufig in Form struktureller Diskriminierung in Erscheinung. Die Ausgrenzung erfolgt in diesen Fällen mittelbar aufgrund von dem Anschein nach neutralen Vorschriften, Verfahrensweisen, oder Kriterien, die sich jedoch für bestimmte Personengruppen benachteiligend auswirken. In diesem Bereich ist eine erfolgreiche Unterstützung betroffener Menschen im Sinne einer Beseitigung der Diskriminierung besonders schwierig, da es oft keinen, oder nur sehr aufwändigen Rechtsschutz gibt. So wird staatliches Handeln von den Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetztes (AGG) nicht erfasst.
Exemplarische Fallbeschreibungen für einzelne Diskriminierungsfelder:
Arbeit und berufliche Ausbildung
Eine Studentin wird im Rahmen eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages am Einsatzort in einer Produktionsfirma von einem Kollegen sexuell belästigt und auf ihre Beschwerde bei einer unmittelbaren Vorgesetzten hin von dieser rassistisch beleidigt. In einem Schlichtungsgespräch am Einsatzort wiederholte sich die Diskriminierung, da die Betroffene von den teilnehmenden Personen im Ergebnis dazu gedrängt wurde, die Angelegenheit nicht so schwer zu nehmen und sich mit ihrer Versetzung in einen anderen Arbeitsraum zufrieden zu geben. Erfreulicherweise nahm die Firmenleitung die AGG Beschwerde des GBB nicht nur zum Anlass, die diskriminierenden Mitarbeiter*innen abzumahnen, sondern die Wirksamkeit ihres AGG - Beschwerdemanagements insgesamt zu überprüfen.
Ämter und Behörden
Das in Deutschland geborene Kind eines Doktoranden und seiner Ehefrau – beide Staatsangehörige eines westafrikanischen Landes – wird nicht in das Geburtenregister des Geburtsortes eingetragen. Die Eltern erhielten lediglich eine Bescheinigung über die Zurückstellung der Beurkundung. Grund für die Zurückstellung ist die Nicht-Anerkennung der Heiratsurkunde der Eltern aus dem Heimatland. Ihnen wird mitgeteilt, dass die Heiratsurkunde (auf eigene Kosten in Höhe von 600,- €, mit ungewisser Dauer und Erfolgsaussicht) zunächst legalisiert werden müsse, da sie sonst nur als ledig in das Geburtenregister eingetragen werden könnten. Dies wollen die Eltern vermeiden, da auch in ihrem Heimatland die Ehelichkeit eines Kindes einen hohen Stellenwert hat. Sie akzeptieren daher die Zurückstellung der Beurkundung. Erst in der Beratung des GBB erfahren sie, welch weitreichende Folgen die Zurückstellung hat. So ergeht keine Meldung an das Einwohnermeldeamt und von dort keine Meldung an das Finanzamt. Aufgrund dessen wird dem Kind keine Steueridentifikationsnummer zugeteilt, weshalb die Eltern kein Kindergeld beantragen können. Die Eltern bestehen daraufhin auf einer Eintragung des Kindes in das Geburtenregister, die Eintragung als ledig nehmen sie notgedrungen in Kauf, genauso wie ihre daraus resultierende finanzielle Schlechterstellung aufgrund der Zuerteilung der Steuerklasse I für Ledige. Die Eintragung erfolgt mit den Zusätzen „Identität nicht nachgewiesen“ neben den Namen der Eltern und „Namensführung nicht nachgewiesen“ neben dem Namen des Kindes. Auf Nachfrage wird ihnen erklärt, diese Vermerke seien erforderlich, weil ihre Heimatpässe ebenfalls nicht anerkannt werden könnten. Die Nicht-Anerkennung der Eheschließung und der Heimatpässe durch die Behörde wird von den betroffenen Eltern als existentielle Respektlosigkeit und Verletzung der Menschenwürde erlebt. Die unmittelbaren Einschränkungen in der Lebensführung der Eltern sind offensichtlich. Aber auch die Kinder, die lediglich in Besitz einer Zurückstellung, oder einer eingeschränkten Beurkundung ihrer Geburt sind, haben in ihrem späteren Leben mit vielfältigen Hindernissen zu rechnen. Die Ausgrenzung zieht sich auf diese Weise über Generationen fort. Offizielle Zahlen, wie viele in Deutschland geborene Kinder von dieser Praxis betroffen sind, existieren bislang nicht.
Private Dienstleistung /Zugang zu Gütern
Ein Kreditinstitut bewarb eine Kontoeröffnung mit besonders günstigen Konditionen. Die Einrichtung eines Kontos wurde einer Interessentin aufgrund ihrer iranischen Staatsangehörigkeit durch das Kreditinstitut verweigert. Zur Begründung wurde außerdem ausgeführt, die Antragstellerin habe keinen unbefristeten Aufenthalt in Deutschland. Ein vor dem Bundesverband deutscher Banken durchgeführtes Schlichtungsverfahren führte nicht zum Erfolg. Das Schlichtungsgremium äußerte sich in seiner Stellungnahme inhaltlich nicht zu dem Vorwurf eines Verstoßes gegen das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot des AGG, eine Diskriminierung wurde abgelehnt. Nach Scheitern des Schlichtungsversuchs hätte die Beratungsnehmerin die Möglichkeit zur Klageerhebung offen gestanden. Hiervon hat sie keinen Gebrauch gemacht, da eine Klage mit einem erheblichen Kostenrisiko und einer zusätzlichen psychischen Belastung verbunden gewesen wäre.
Bildung
Zwischen den aus einem westafrikanischen Land stammenden Eltern eines Schülers und der Schulleitung einer Hauptschule entsteht ein Konflikt bezüglich der Feststellung Sonderpädagogischen Förderbedarfs. Die Eltern vertrauen der durch die Schule eingeleiteten Begutachtung ihres Kindes nicht. Sie bestehen auf einer zusätzlichen Diagnostik durch eine Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Bevor die Ergebnisse der Praxis vorliegen ergeht ein Bescheid, in dem der Förderbedarf festgestellt und eine Versetzung des Jungen an eine Förderschule empfohlen wird. Die Eltern fühlen sich diskriminiert und in ihren Rechten verletzt, weil die Schule die unabhängige ärztliche Diagnose nicht abgewartet hat. Durch Begleitung und Unterstützung der Eltern zu Gesprächen mit den beteiligten Akteuren konnte eine Klärung und Befriedung der Situation erreicht werden.
Mieten und Wohnungsmarkt
Eine junge Familie mit einem 2 jährigen Kind bezieht in einem 6-Parteien Haus eine Mietwohnung. Bereits am Tag des Einzugs kommt es zu Beschwerden der alteingesessenen, ausnahmslos weißen Nachbarschaft wegen angeblicher Lärmbelästigung. Nach 3 Monaten erhält die Familie eine Abmahnung der Vermieterin mit detaillierten Lärmprotokollen der Nachbar*innen. Darin wird von ununterbrochenem Geschrei, Getrampel und Gerenne berichtet und es werden Vermutungen über häusliche Gewalt und eine schlechte Kindererziehung angestellt. In der Beratung des GBB berichtet die Familie von Bedrohungssituationen durch eine Nachbarin, die ihren Hund im Haus frei herumlaufen lässt und des Öfteren mit dem Hund vor der Türe der Familie steht, um sich lautstark zu beschweren. Die Familie kann zu einigen angegebenen Zeiten in den Lärmprotokollen ihre Abwesenheit belegen. Gegen die Abmahnung wird Widerspruch eingelegt. Als Reaktion erfolgt eine ordentliche Kündigung, ohne dass auf die Argumentation zur Begründung des Widerspruchs und die dort aufgeführten Hinweise auf rassistisches Mobbing durch die Nachbarschaft eingegangen wird. Eine Diskriminierungsbeschwerde und anschließende Klage gegen die Vermieterin lehnt die Familie ab. Sie akzeptieren die Kündigung und hoffen rechtzeitig eine andere Wohnung zu finden.