Kirchlicher Tendenzschutz und Kopftuchverbot für Lehrerinnen auf dem Prüfstand -Starkes Signal von der Fachtagung zur Ausgrenzung von Musliminnen am Arbeitmarkt in Düsseldorf
Der Tendenzschutz für kirchliche soziale Dienste und das Kopftuchverbot für Lehrerinnen in NRW stehen zur Disposition und sollen auf die landespolitische Tagesordnung gesetzt werden. Das ist das Fazit der Tagung „Musliminnen in der Arbeitswelt – Zwischen Potenzial und Ausgrenzung“, die am 4. Juli in Düsseldorf stattfand. Veranstalter waren das ADB/Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V., das Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen e.V., beide aus Köln und das Anti-Rassismus Informations-Centrum aus Duisburg.
Die Tagung wurde durch die Staatssekretärin für Integration des Landes NRW Zülfiye Kaykın eröffnet, die ausdrücklich die Diskriminierung von StellenbewerberInnen aufgrund ihres ausländisch klingenden Namens oder des Tragens eines Kopftuches beklagte. Sie unterstrich die Bedeutung der Antidiskriminierungsarbeit zur Bekämpfung der Ausgrenzung muslimischer Frauen auf dem Arbeitsmarkt.
Auf der Veranstaltung wurden von AntidiskriminierungsexpertInnen Diskrimiminierungsmechanismen aufgezeigt, die dazu führen, dass viele muslimische Frauen trotz einer guten Ausbildung, wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Yasemin Shooman, vom Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung lieferte eine differenzierte Analyse aktueller Musliminnen-Bilder, die in medialen und öffentlichen Diskursen produziert werden und sich somit auf die Lebensrealität muslimischer Frau auswirken. Der Sozialwissenschaftler Mario Peucker zeigte daran anknüpfend auf, inwieweit diese Diskurse dazu beitragen können, dass diskriminierendes Verhalten – auch das der ArbeitgeberInnen – legitimiert wird.
Eindrucksvoll waren die persönlichen Berichte muslimischer Frauen, die trotz guter Ausbildung immer wieder bei Bewerbungen scheitern. Dies geschehe, weil Personalchefs bei ihnen eine erschwerte soziale Integration im Betrieb wie auch Ablehnung durch Kunden erwarteten oder sie für geringer qualifiziert hielten, wie Mario Peucker auf Grundlage seiner Expertise ausführte. Zudem identifizierte er als ein weiteres Hindernis, dass viele qualifizierte Stellen über informelle Netzwerke vergeben würden, zu denen Migrantinnen häufig keine Zugänge hätten.
Thematisiert wurden auch strukturelle Diskriminierungen wie das Kopftuchverbot für Lehrerinnen in NRW und die sogenannte Kirchenklausel im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Letztere erlaubt es kirchlichen sozialen Diensten, die zu den größten privaten Arbeitgeberinnen in Deutschland gehören, muslimischen Bewerberinnen Anstellungen z.B. in Einrichtungen der Integrationsarbeit oder im Bereich Gesundheit (z.B. im Krankenhaus) zu verweigern. Das Kopftuchverbot für den Schuldienst in NRW führe laut Berichten auf der Tagung dazu, dass generelle Kopftuchverbote an Schulen sowohl für Schülerinnen als auch für Eltern erlassen würden.
In diesem Zusammenhang wurde die negative Vorbildfunktion des Staates auf private ArbeitgeberInnen auf der abschließenden Podiumsdiskussion u.a. unter Beteiligung der migrationspolitischen Sprecher der NRW-Regierungsparteien Bernhard von Grünberg (SPD) und Arif Ünal (Die Grünen) wie auch Gabriele Boos-Niazy (Aktionsbündnis muslimischer Frauen) und Prof. Dr. Frings (Hochschule Niederrhein) diskutiert.
Als mögliche Strategien im Hinblick auf die Ausgrenzung muslimischer Frauen wurde ihre Stärkung durch Selbstorganisationen vor allem in sozialen Netzwerken diskutiert. Auch sei es von entscheidender Bedeutung, den medial inszenierten stereotypen Bildern über muslimische Frauen durch differenzierte Berichte z.B. über gelungene Arbeitsmarktintegration zu begegnen. Auf der strukturellen Ebene sprachen sich die Politiker dafür aus, das Kopftuchverbot für Lehrerinnen auf den Prüfstand zu stellen. Darüber hinaus wurde die Möglichkeit diskutiert, die Vergabe öffentlicher Mittel im sozialen Bereich an die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu koppeln.
Kontakt: Hartmut Reiners (ARIC-NRW), Tel.: 0203 284873, e-mail
Erika Theißen (BFMF),Tel.: 0221 800 121 – 0,email
Sanata Nacro (ÖGG), Tel.: 0221 96476300, sanata.nacro@oegg.de">email
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